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Energiekommune_2014_01

ze zugrunde. „Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1999 ist allerdings der Ertragswert das Maß für den Kaufpreis der Stromnetze“, erklärt Kurt Berlo, Pro- jektleiter am Wuppertal Institut. Der Ertragswert ist in der Regel geringer als der Sachzeitwert – mal um wenige Prozent, mal um die Hälfte, wie Ber- lo beobachtet hat. Da die Bundesnetz- agentur die Erlösobergrenze vorgibt, ist er gut zu kalkulieren. Das mache die Kaufpreisverhandlungen etwas einfa- cher als früher, erklärt Michael Sla- dek von den Elektrizitätswerken Schönau. Auch das Herauslösen des Netz- betriebs aus der Betreibergesellschaft ist Teil des Preispokers. In Ludwigs- burg schätzt der Altkonzessionär EnBW die Kosten für die Entflech- tung auf 2 bis 3 Millionen Euro. Die Stadtwerke, die die Konzession zum Jahresanfang 2013 übernommen ha- ben, gehen von 100000 bis 200000 Euro aus. Kaufpreis unter Vorbehalt Was ein Netz wirklich wert ist, sieht der Käufer oft erst nach der Übernahme. Theoretisch muss der Konzessions- inhaber rechtzeitig technische und wirtschaftliche Daten zur Verfügung stellen. In der Praxis erweist sich das oft als zäh. Die frisch gegründeten Gemeindewerke St. Michel-Energie GmbH aus Sankt Michaelisdonn zum Beispiel waren im Herbst 2010 noch entschlossen, ihre Netze zu übernehmen. 2011 zogen sie sich aus dem Konzessionsverfahren zurück, mit der Begründung, dass zu wenige wirtschaftliche Daten über das Netz zur Verfügung stünden. „Üblich ist es mittlerweile, einen überhöht scheinenden Kaufpreis nur unter Vorbehalt zu zahlen“, sagt Ber- lo. Die endgültige Entscheidung trifft dann ein Gericht, oft erst lange Zeit nach der Übernahme. Michael Sla- dek rät, den Rechtsstreit zu meiden, so lange sich die Mehrkosten in Gren- zen halten: „Ein Schnaps obenauf für den Altkonzessionär beschleunigt die Übernahme erheblich, darf aber natürlich die langfristige Wirtschaft- lichkeit nicht gefährden.“ Die Abschreckungspolitik zeigt Wirkung, denn überhöhte Kaufprei- se und Anwaltskosten erhöhen zwar die Ausgaben, bringen aber keine Rendite. „Niemand kann abschätzen, wie hoch der Kaufpreis und die Kos- ten für Gerichtsverfahren letztlich sein werden“, argumentiert Sabine Glawe vom Bund der Steuerzahler, die sich im Hamburger Bündnis „Nein zum Netzkauf“ engagierte und jetzt das Bewerbungsverfahren der Stadt begleitet. Viel umstrittene Argumente der Rekommunalisierung sind die Da- seinsvorsorge und die Energiewende. Nicht jede Netzgesellschaft ist gleich: Für die Gemeinde Umkirch bei Frei- burg gaben die häufigen Stromaus- fälle den Anlass, das Netz von der EnBW zu übernehmen. Das Olden- burger Stromnetz dagegen, betrieben vom Energiekonzern EWE, gilt als besonders innovativ. Dass die Bun- desnetzagentur dringende Moderni- sierungen abschmettert, wie oft kol- portiert, muss der Netzbetreiber kaum befürchten. „Wer seine Investi- tionen gut begründet, bekommt sie auch genehmigt“, berichtet Helmar Rendez vom Stromnetz Berlin. Spielräume nutzen Der Netzbetreiber muss natürlich So- larstrom ebenso transportieren wie Atomstrom. Doch in der Entschei- dung, wie offensiv er sich mit intelli- genten Netzen beschäftigt oder wie zügig oder bürokratisch es beim An- schluss neuer Solarparks zugeht, gibt es Spielraum. „Wir haben bisher alle neuen Erneuerbare-Energien-Anla- gen in unserem Netzgebiet ohne Be- dingungen ans Netz angeschlossen,“ erklärt Michael Sladek. Nun stehen Netzverstärkungen und intelligente Speicher an. „Wenn eine Kommune nicht nur ein Stadtwerk besitzt, son- dern auch das Netz, erleichtert das die Abstimmung von regenerativen Erzeugungskapazitäten und Netzaus- bau,“ ergänzt Berlo. Wertschöpfung für die Region Am Ende ist es auch ein gutes Stück Politik. „Es geht darum, Wert- schöpfung in der Region zu halten“, appellierte die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke auf einem Infotag des Landesnetz- werks BürgerEnergieGenossenschaf- ten Rheinland-Pfalz, der im November in Mainz stattfand. Für eine Kommu- ne mit engagierten Klimaplänen und eigenem Stadtwerk, die das Thema Daseinsvorsorge ernst nimmt, gehört das Stromnetz einfach dazu, findet Berlo. Für Sladek ist es eine Frage des Engagements. „Eine Energiegenos- senschaft muss Mitgesellschafter des lokalen Energieversorgers sein. In den Genossenschaften steckt sehr viel Kompetenz, das auch ehrenamt- lich zur Verfügung gestellt wird. Die- ses Engagement sollte unbedingt ge- nutzt werden, um die Dezentralisie- rung der Energieversorgung zu beschleunigen und die Bürokratie- bremse bei der Energiewende auszu- schalten.“ EvaAugsten R E K O M M U N A L I S I E R U N G 71/ 2014Energiekommune Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU)hateineListevonBeraternundSo- zietäten sowie eine Referenzliste mit An- sprechpartnern von Kommunen erstellt. Nadine Gerks, Tel. 030 58580-174, gerks@vku.de Das Beratungsunternehmen BET Aachen bietetumfassendeDienstleistungenrund um den Netzbetrieb an. www.bet-aachen.de, Tel. 0241 47062-0, info@bet-aachen.de Die Rechtsanwaltssozietät Becker Bütt- ner Held hat ebenfalls viel Erfahrung mit Konzessionsverfahren, Übernahmever- handlungen und Netzbewertungen. www.beckerbuettnerheld.de Das Wuppertal-Institut stellt Studien zur Rekommunalisierung zum Download zur Verfügung und berät Kommunen. Kurt Berlo, Tel. 0202 2492-174 kurt.berlo@wupperinst.org www.wupperinst.org Unterstützung für Netzkäufer

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