R E K O M M U N A L I S I E R U N G In den Dörfern Badenheim, Sprendlingen und St. Johann gehö- ren die Leitungen schon den Bür- gern. Im nächsten Jahr soll es auch in Aspisheim, Zotzenheim und fünf weiteren Orten soweit sein. Dann wird die von der Kommune und ei- ner Bürgergenossenschaft ins Leben gerufene Rheinhessen Energie GmbH alle Stromnetze der Ver- bandsgemeinde Sprendlingen-Gen- singen mit 14500 Einwohnern er- obert haben. Die Idee zur Netzüber- nahme entstand nach und nach aus dem Klimaschutzkonzept der Ver- bandsgemeinde. „Wir wollten ein Ge- samtpaket, zu dem Stromerzeugung, Vertrieb und eben auch die Netze ge- hören“, erklärt Armin Brendel, Orts- bürgermeister von Gensingen. Als fachliche Unterstützung ha- ben sich die Rheinhessen die Stadt- werke Mainz und die Elektrizitäts- werke Schönau ins Boot geholt, die mit jeweils 12,55 % an der kommuna- len Energiegesellschaft beteiligt sind. Das Wuppertal Institut schätzt, dass kommunale Unternehmen in den letzten Jahren etwa 190 Verteilnetze übernommen haben. Angesichts von mehr als 14000 Konzessionen in Deutschland ist das zwar kein Mas- senphänomen, aber durchaus eine Bewegung. Schließlich gelingt längst nicht jeder Übernahmeversuch. Die Altkonzessionäre, oft große Energie- konzerne, trennen sich ungern von ihren Netzen. Das Stromnetz ist noch immer ein solides Geschäft. Fünf bis sechs Prozent Rendite aufs Ei- genkapital gelten heute als recht gute Verzinsung. Ausschreibung ist geregelt Eine Kommune kann eine abgelaufe- ne Stromnetzkonzession nicht ein- fach übernehmen. Ein von Bundes- netzagentur und Kartellbehörde er- stellter Leitfaden schreibt seit 2010 eine diskriminierungsfreie Aus- schreibung vor, bei der ausschließ- lich netzbezogene Kriterien über die Auswahl entscheiden dürfen. Dass die Altkonzessionäre sich auf Diskri- minierung berufen, wenn sie eine Konzession nicht erhalten und die Übernahme ins Stocken gerät, kann die Kommune fest einplanen. Die Verbandsgemeinde Sprendlingen- Gensingen ließ ihr Vergabeverfahren daher direkt von der Kartellbehörde prüfen – die hatte nichts zu bean- standen. Bei welchem Kriterium die Rheinhessen Energie gegenüber dem Altkonzessionär EWR AG punktete, ist allerdings vertraulich. Rückhalt der Kommune wichtig „Ohne den vollen Rückhalt der Kom- mune ist eine Netzübernahme nicht zu stemmen“, sagt der Gensinger Bürgermeister Armin Brendel. Die Frage für die Kommune ist: Was bringt der Aufwand? Zuerst ein- mal kostet die Übernahme Geld. Steht eine Netzübernahme zur De- batte, kursieren schnell hohe Kauf- preise in den lokalen Medien, die Kommunen, Bürger und Industrie- verbände abschrecken. In Hamburg ist von mehr als 550 Millionen Euro für das Stromnetz die Rede, hochgerech- net aus dem Preis für die 25,1%-Be- teiligung der Stadt. Oft legen die Be- sitzer auch den Sachzeitwert der Net- Der Betrieb eines Stromnetzes bringt verlässliche Ein- nahmen. Für viele Kommunen ein Grund, sich auf den Kampf um die Konzession einzulassen. Auch die Energie- wende vor Ort soll so beschleunigt werden. Foto:©underworld-Fotolia.com 6 1/ 2014Energiekommune DER TRAUM VOM EIGENEN NETZ